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Oliver Arend

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Oliver Arend

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Beitrag 13680 , N<sub>2</sub>O statt H<sub>2</sub>O<sub>2</sub> [Alter Beitrag15. Mai 2002 um 16:57]

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Ich frage mich, warum vielerorts Wasserstoffperoxid als Oxidator verwendet wird, obwohl sich Lachgas ja offensichtlich sehr einfach handhaben lässt, sehr sicher und auch nicht unbedingt teurer ist (bin über die Preise nich wirklich gut informiert). Darüberhinaus erübrigt sich bei Lachgas-Nutzung die Fremdgasdruckförderung des (flüssigen) Treibstoffs - wenn man den verwendeten Kammerdruck in Grenzen hält.

Liegt es nur am Leistungsgewicht, da bei Lachgas nur etwa 36% des Gewichts als Oxydator genutzt werden können, bei Peroxyd immerhin 47%? Zumal dieser Vorteil eventuell wieder dadurch zumindest zum Teil wettgemacht wird, dass wir mit Stickstoff, der ja vom Lachgas überbleibt, eine gasförmige Komponente haben, die zum Vortrieb beitragen kann, mit dem Wasser beim Peroxyd jedoch "Abgas", das stark zum flüssigen Aggregatzustand tendiert? Oder bilden sich gar bei der Verbrennung von Lachgas mit organischen Treibstoffen (Methanol, Ethanol) wilde Cyanid-ähnliche C-N-Verbindungen?

RATT Works, die u.a. "normale" Hybride herstellen, stehen kurz vor der Serienfertigung eines Flüssigtriebwerks im M-Bereich mit Lachgas als Oxydator, wohingegen ich bezweifle, dass System Solaire mit ihrer Peroxyd-Rakete so den durchschlagenden Erfolg haben.

Oliver
Hendrik

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Beitrag 13683 [Alter Beitrag15. Mai 2002 um 17:12]

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Ein Vorteil von H2O2 ist, daß das durch die Verbrennung entstehende Wasser gleich wieder verdampft wird. Dadurch lassen sich mit 50 %igen H2O2 Verbrennungstemperaturen realisieren, die weit unter 1000 °C liegen. Das schaffst Du mit Lachgas nicht!

VG,

Henni

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Die Wissenschaft hat keine moralische Dimension. Sie ist wie ein Messer.
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Wernher von Braun (1912 - 1977), deutsch-US-amerikanischer Raketenforscher

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Beitrag 13686 [Alter Beitrag15. Mai 2002 um 17:19]

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1000 °C, Hendrik, weil bei unter 100 °C verbrennt kaum was, geschweige denn dass Wasser verdampft ;-) Aber das ist ein Vorteil, richtig, da werden die Werkstoffe nicht so beansprucht.

Oliver
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Beitrag 13688 [Alter Beitrag15. Mai 2002 um 17:24]

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Zitat:
Original geschrieben von Oliver Arend
1000 °C, Hendrik, weil bei unter 100 °C verbrennt kaum was, geschweige denn dass Wasser verdampft ;-) Aber das ist ein Vorteil, richtig, da werden die Werkstoffe nicht so beansprucht.

Oliver





Uuuupsi, irgendwann finde ich den Fehlerteufel, der das veursacht hat...

Ist korrigiert, danke!

VG,

Henni

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andi

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Beitrag 13709 , noch ein Vorteil [Alter Beitrag15. Mai 2002 um 21:30]

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Oliver ein weiterer Vorteil mit H2O2 bei richtiger Komponentenwahl bzw Aditivierung das Zeug zündet hypergol! Egal wie gut die Düseneinsätze Mischen... gezündet wird immer wenn die Komponenten aufeinandertreffen, für Flüssigtriebwerke auch nicht ganz ohne Vorteil, werden doch sogar "Große" auf diese Weise angelassen mit Hilfseinspritzung. Druckflaschen und Zubehör bringen Gewicht, Technik und Fehlerquellen, H2O2 kann man per Gießkanne transportieren und tanken. Kleine Kartusche zur Förderung drauf fertig.
Aber schlußendlich kommt es doch auf die Verfügbarkeit, die Kosten und die individuellen Vorlieben an was verwendet wird.
Oliver Arend

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Beitrag 13719 [Alter Beitrag15. Mai 2002 um 23:28]

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Geht mir auch so. Ich hab vor H2O2 irgendwie n bisschen mehr Respekt. Und hypergol muss ja nun echt nicht sein. Das mag was bringen für ICBMs, die jahrzehntelang gelagert werden sollen und auf Knopfdruck auch starten, aber nicht für eine Rakete, die man selbst starten möchte.

Oliver
andi

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Beitrag 13725 [Alter Beitrag16. Mai 2002 um 00:25]

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Bei mir ist es eher umgekehrt, mir ist H2O2 lieber als z.B. rotrauchende Salpetersäure (auch hypergol) die brennt nicht nur Löcher überall rein und verätzt die Lungen sondern selbst kleinste Mengen geben so schicke gelbe Flecken auf der Haut die sich später abschälen. H2O2 beißt dagegen nur ein bischen wenn man gleich abspült.
Sogesehen ist Lachgas nun doch fast das Gelbe vom Ei für Privat/lowgeld forschung.
David Madlener

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David Madlener

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Beitrag 14474 , N2O vs. H2O2 [Alter Beitrag02. Juni 2002 um 11:38]

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Hallo!
Beide Substanzen haben ihre Vor- und Nachteile. Gemein haben sie aber vor allem die Eigenschaft, dass sie nicht kryogen sind, was die Beanspruchung der Ventile und Leitungen reduziert. Für Lachgas braucht man einen Drucktank, der mehr als 70bar aushalten muss. Das geht natürlich ins Gewicht, wenn man nicht faserverstärkte Verbundwerkststoffe für die Tanks verwendet. Auch Tanks und Zuleitungen müssen für diesen Druck ausgelegt werden, also ein klarer Minuspunkt. Wird natürlich durch den höheren Brennkammerdruck (fast) wettgemacht smile Die Toxizität von Lachgas ist gering, man sollte aber vermeiden alleine damit zu arbeiten, aber das gilt ja für alle Substanzen, die potentiell gefährlich sind. Anders bei den Abgasen, die dürften auch Stickoxide enthalten, ein Minuspunkt auf der grünen Skala. Nun zum Wasserstoffperoxid. Das Zeug ist ja von Natur aus kein Flüssiggas, sondern bei normalen Bedingungen eine Flüssigkeit. Normalerweise wird man aber kein 100%iges (oder ähnlich konzentriertes) H2O2 verwenden. Das wäre dann doch etwas gefährlich. Nicht wegen der Toxizität, sondern wegen der Explosionsgefahr. Kleinste Verunreinigungen können die katalytische Zersetzung initiieren. Dabei kann sich die Temperatur sehr schnell erhöhen und den Vorgang dramatisch beschleunigen. Zum Glück kann man das ganze mit Wasser verdünnen, wobei natürlich der Energiegehalt flöten geht. Die Leute, die sich mit sowas beschäftigen machen natürlich das Gegenteil smile Man kann aber erst einmal mit harmlosen Konzentrationen anfangen um später höhere zu verwenden. H2O2 ist bei Konzentrationen unter 60% sehr gut handhabbar, man kann es sich sogar über die Haut kippen ohne gleich die Hand zu verlieren. Die obersten Hautschichten sind dann natürlich futsch. Es gibt Berichte aus dem II.WK, wonach ein Pilot in über 80% prozentiges H2O2 gebadet wurde, weil beim Start etwas schief ging. Man riss Ihm die Kleidung vom Leib und spülte Ihn mit Wasser. Er hat es relativ unbeschadet überlebt, danach war er allerdings ZIEMLICH blond smile Naja, papierfarben holzfrei ist wohl eher der richtige Ausdruck. Vorsicht ist allerdings bei den Augen angebracht, wie bei jeder ätzenden Flüssigkeit. Der Witz ist nämlich, dass bei Konzentrationen unter 60% bei der katalytischen Zersetzung nur leicht überhitzter Wasserdampf+O2 entsteht. Eine katastrophale Zersetzung ist dann ausgeschlossen, wenn man nicht deppert ist und das Ganze in einen Druckbehälter einsperrt. Natürlich muss man dafür sorgen, dass keine brennbaren Stoffe in der Nähe gelagert werden, vor allem kein Aceton! Oberhalb von 60% steigt die Temperatur der Zersetzungsprodukte bis über 1300K. Man bekommt allerdings irgendwann Probleme mit dem Katalysator, der verabschiedet sich, wenn man Silber verwendet, vorher (950°C glaube ich) . Das heisse O2-Wasserdampf- Gemisch kann man dann durch die Brennkammer jagen, das Wasser reduziert natürlich die Brennkammertemperatur auf Kosten des spezifischen Impulses, ein klarer Minuspunkt, aber das tut der Stickstoff bei N2O auch, nur das Wasser eine erheblich höhere Wärmekapazität besitzt. Auf der grünen Skala bekommt H2O2 aber einen dicken Pluspunkt. Bleibt da noch die katalytische Zersetzung des Peroxids (wenn man es nicht gleich pur einleitet). Was die Stabilisierung und Lagerung angeht natürlich ein klarer Minuspunkt, obwohl in sauberen(!) PE-Gefässen jahrelange Lagerung durchaus möglich ist. Und zwar ohne Drucktank, wie bei N2O. Man kann durch Zersetzung den Druck zur Förderung des Treibstoffes 'in situ' erzeugen, oder mit dem heissen Wasserdampf eine Turbine betreiben. Das hat man bei der A4 schon so gemacht. Natürlich nix für Anfänger wink Und das ganze kann man sogar regeln, also ein klarer Pluspunkt. Summa summarum, Lachgas ist was für den low-budget Amateur, der sich keine Gedanken um Katalyse, Lagerung und Handling machen möchte. Mit H2O2 kann man allerdings erheblich mehr machen und das sehr umweltverträglich, eine echte Zukunftstechnologie...
andi

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Beitrag 14478 , Vor und Nachteil genau [Alter Beitrag02. Juni 2002 um 17:19]

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Hallo David,
stimmt genau Vor und Nachteile je nach Möglichkeiten. Der Pilot den du erwähnst trug PVC-Schutzkleidung, die Gefahr war dort nicht das H2O2 sondern dass sich das Zeug mit dem Alkohol mischte beim Unfall - buuums! Für Antriebe mit Pilot wurden meines Wissens nach nur "heiße" Waltertriebwerke eingesetzt.
Sonst ist H2O2 eigentlich harmlos solange man sauber arbeitet. Als Katalysator empfiehlt sich Braunstein oder Kaliumpermanganat in Alkohol gelöst ist billiger und leichter als Ag. Ähnliche Eigenschaften wie H2O2 erhält man auch mit rauchender Salpetersäure (drucklos zündet gut, passiviert den Tank = lange Lagerzeiten möglich)
Das ultimative Mittelchen allerdings ist Tetranitromethan! und das gleich in 3erlei Hinsicht:
1.es enthält mehr Sauerstoff pro Volumen als LOX
2.es ist drucklos flüssig und lagerungsstabil
3.es ist sauteuer, giftig und in Mischung mit Brennstoff etwas sehr hmm sagen wir mal anspruchsvoll (Toluol +TNM ca 9000m/s bei stöchiometrischer Mischung)
Eingesetzt wurde es schon in den USA (wo sonst?) bei Dragsterrennen mit Wassereinspritzung um nochmehr Power als mit Nitromethan zu erreichen.
David Madlener

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Beitrag 14504 , Re: Vor und Nachteil genau [Alter Beitrag03. Juni 2002 um 08:46]

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Hi Andi! Soweit ich weiss war diese Schutzkleidung nicht wirklich dicht. Die hatten halt nicht wie heute Vollgummischutzanzüge aus PVC oder ähnlichem. Das war eher ein Gewebe aus PVC oder PC-Fasern (so genau konnte ich das nicht herausfinden), Baumwolle wäre auch nicht so doll gewesen frown Die hatten auch Probleme Insignien auf die Pilotenkleidung zu kriegen (sticken war nicht drin, zuviele Löcher) so improvisiert war das. Die haben sich dann mit (brennbaren) Armbinden beholfen. Wenn ich das richtig verstanden habe, hatte die ME163A einen katalytischen Motor, also reine Zersetzung von H2O2, das Nachfolgemodell ME163B hatte aber einen 'richtigen' Raketenmotor, mit einer Methanol-Hydrazin-Wasser-Mischung (C-Stoff) als Brennstoff. Da musste man richtig froh sein, wenn man 'nur' mit H2O2 besudelt wurde, bei Hydrazin ist nämlich ganz schnell Feierabend...
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