Ich behaupte: Keine andere Vorrichtung ist auf diesem Globus so oft für das Vermessen kleiner Hobbymotoren eingesetzt worden wie eine zweckentfremdete Küchenwaage. Weil das jeder kann, ohne sich im geringsten mit Elektronik oder mit Computern auskennen zu müssen, und weil es so herrlich billig ist. Früher hat die zuletzt abgebildete Waage mal 20 Mark gekostet, neulich habe ich sie für 20 Euro gesehen (dieser Umrechnungsfaktor kommt uns nebenbei auch bekannt vor..). Du kannst sogar eine Schubzeitkurve damit aufstellen, wenn du die Verbrennung filmst und dann die einzelnen Bilder auszählt.
Apropos auszählt- wie macht man das eigentlich?
Wenn es nach den Jüngern des Ordens vom hl. St. Newton geht, dann beginnt das Auszählen mit einem Stoßgebet:
Bitte lieber heiliger St. Newton, mach mich blind, damit ich die Kilo nicht sehen muß! Und dann schauen sie auf die
2,8 Kilo im obigen Bild mit demselben Entsetzen, wie eine männliche Jungfrau aus dem Bibel-Belt, wenn sie/er ein Hardcore Porno betrachten muß.
Ich habe dagegen gar kein Problem. Denn ich weiß, daß die Waage
falsch beschriftet ist. Jawohl! Es ist eine Federwaage, die außerstande ist, eine Masse von 2,8kg direkt zu messen. Was sie eigentlich anzeigt, ist- tja Leute, jetzt müßt ihr ganz stark sein, denn kann ich euch eine bittere Wahrheit nicht ersparen- was die anzeigt sind in Wirklichkeit
KILOPOND! Echt! Kein Scheiß!
Denn die Federwaage kann nur eine Kraft messen. Und die einzige Krafteinheit, die zu dieser Zahlenskala paßt, ist das Kilopond. Ob kp veraltet ist oder nicht, solche Waagen werden auch heute verkauft.
Denn es gilt (auf der Erde und in Meereshöhe):
1 Kilopond ist die Gewichtskraft, mit der die Masse 1 Kilogramm auf die Unterlage drücktMit anderen Worten: Der
Zahlenwert von Kilopond und Kilogramm ist stets gleich. Darum ist es in der Praxis auch nicht so schrecklich wichtig, ob da kp oder kg steht, sag einfach Kilo, das paßt immer.
So weit, so gut. Das Triebwerk oben bringt 2,8 Kilo. Was bedeutet das? An der Stelle habe ich die große Auswahl: Will ich
anschaulich verstehen, will ich
die Startbeschleunigung abschätzen, oder will ich
rechnen?
1. Ich will mir die Schubkraft bildlich vorstellen könnenDann lasse ich den angezeigten Wert wie er ist! 2,8 Kilo heißt, daß dieses Treibwerk, wenn es in einer 2,8 Kilogramm schweren Rakete steckt, diese Rakete schweben läßt. Das kann ich mir sofort und in 3D vorstellen!
2. Ich will die Startbeschleunigung abschätzenWenn die startende Rakete 280g schwer wäre, dann wäre die Beschleunigung 2,8 Kilo / 0,28 Kilo = 10g.
Immer 1g abziehen, um die Erdanziehung auszugleichen, bleiben effektiv 9g übrig. Eine stattliche Beschleunigung, ich weiß also auf einen Blick, daß die Rakete auch etwas schwerer als 280g sein darf.
3. Ich will die Flugbahn oder sonstwas genauer berechnenJetzt ist endlich Zeit für Newton. Auch kein Problem, denn es gilt:
1 Kilopond = 9,81 NewtonAllerdings gibt der gute, alte Isaac nur ein kurzes Gastspiel, denn was soll ich mit einer zusammengesetzten Einheit wie "Newton"? In Wirklichkeit ist das doch
1 Newton = 1 kg*m / s^2 Daraus folgt:
1 Kilopond = 9,81 kg*m / s^2 Und schon ist er wieder fort, der alte Newton. Denn erst mit dieser
wirklichen Krafteinheit kann ich beim Weiterrechnen schön kürzen, wenn ich mit Sekunden, Massen-Kilogramm und derlei rumrechne.
Geändert von Peter am 12. Januar 2008 um 23:30