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Neil

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Neil

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Beitrag 7624196 , Wandstärkeberechnung beim Tiefziehen / Blasen [Alter Beitrag04. Januar 2013 um 12:01]

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Hallo,

ich will ein Bauteil durch Tiefziehen / Blasen herstellen. Da es mir auf die Festigkeit ankommt, muss ich vorher wissen wie dick es nachher sein wird. So kann ich die passende Plattendicke bestellen und dabei möglichst leicht bleiben.
Jetzt stellt sich mir die Frage, wie das Bauteil beim verformen die Wanddicke verändern wird.
Es handelt sich um eine Form die man grob mit Halbkugel mit anschließendem zylindrischen Teil beschreiben kann. Ähnlich der oberen Hälfte einer Gasflaschen.

http://www.fritz-berger.de/campingartikel/productimages/gasflaschen.jpg

Die Platte wird also durch ein passendes Loch mittels Unterdruck von oben, oder Überdruck von unten, in die Form gedrückt. Der Umfang verändert sich dadurch kaum. Steht also nur der Ausgangsdurchmesser der Platte zu der Querschnittslänge der Endform.
Aus Durchmesser wird 2xLänge Zylinder + Durchmesser*pi/2
Kann ich davon ausgehen das die Streckung homogen sein wird, oder wird im zylindrischen Teil die größte Streckung sein und oben in der Mitte so gut wie garkeine?
Wer hat Tiefzieherfahrung und kann da mehr sagen?

Gruß

Neil

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tomcat

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Beitrag 7624197 [Alter Beitrag04. Januar 2013 um 12:34]

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Hallo,

ich verstehe noch nicht genau was du meinst mit zylindrischem Teil und oben in der Mitte? Ich würde den Körper rechnerisch zerlegen in einen großen Zylinder (entspricht dem Flaschenkörper/-bauch) und einen kleinen Zylinder (entspricht dem Ventilbereich). Die Streckung zwischen diesen beiden Körpern ist nicht gleich, also nicht homogen. Aber die Streckung bezogen auf den jeweiligen Einzelkörper (z.B. nur der große Zylinder betrachtet) ist meines Wissens homogen.

Vielleicht hilft eine Schemazeichnung zum besseren Verständnis.

Grüße
Thomas

Geändert von tomcat am 04. Januar 2013 um 12:41

Neil

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Neil

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Beitrag 7624199 [Alter Beitrag04. Januar 2013 um 12:49]

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Hallo Thomas,

es ist in der Tat viel einfach als du denkst. Das Beispiel der Gasflasche passt schon sehr gut, nur eben ohne Ventil. Einfach nur eine Halbkugel mit unten angeflanschten gleich dickem zylindrischen Teil.
So etwas wie das hier:
http://www.leifiphysik.de/web_ph11/zusatzaufgaben/07_kreisbewegung/kreisdynamik/image187.gif
Ich vermute, das sich beim hineindrücken eine Form ähnlich der Kettenlinie bildet.
http://de.wikipedia.org/wiki/Kettenlinie_%28Mathematik%29
Dadurch würde in der tat zuerst oben in der mitte der Halbkugel das Material aufliegen und dann sich weiter in die Form hinein legen. Am dünnsten wäre es dann dort, wo der Abstand zwischen Kettenlinie und Form am größten ist wenn die Kettenlinie das erste mal die Form berührt.
Kettenlinien beziehen sich aber nur auf 2D Fälle. Man müsste schauen wie sich das bei einer Fläche dann verhält.

Gruß

Neil


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Beitrag 7624200 [Alter Beitrag04. Januar 2013 um 14:37]

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Hallo Neil,

ok, verstehe das jetzt besser. So weit ich weiß, sollte die Verstreckung der Kunststoffplatte ziemlich gleichmäßig über die Oberfläche der Form erfolgen. Das hieße, die Wanddicke sollte homogen nach dem Tiefziehen sein. Das trifft zu, wenn das Tiefziehen ideal läuft.

Es muss dann eigentlich nur das Tiefziehverhältnis als Relation zwischen Oberfläche der Grundplatte zu Oberfläche des verstreckten Teiles berechnet werden. Aus der gewünschten Wanddicke, Oberfläche der Grundplatte und Oberfläche des verstreckten Teils berechnet man das Verstreckungsverhältnis. Daraus ergibt sich die Wandstärke der zu verwendenden Grundplatte (Ausgangswandstärke).

Grüße
Thomas

Neil

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Beitrag 7624201 [Alter Beitrag04. Januar 2013 um 14:42]

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Danke Thomas,

also ist das Thema dann doch sehr einfach zu betrachten. Über das Flächenverhältnis gehen klingt logisch, da ja das Volumen der Platte konstant bleibt.
Ich denke mal bei extremeren Formen (ogive Spitze) sieht das dann schon anders aus.

Gruß

Neil

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Beitrag 7624203 [Alter Beitrag04. Januar 2013 um 14:53]

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Ja, das kann man mindestens für einfache Formen so betrachten. Das Tiefziehen funktioniert vereinfacht dargestellt nach dem "Gummituch-Prinzip". Vielleicht können die Kunststoffchemiker unter uns noch etwas dazu sagen, warum und unter welchen Bedingungen sich die Moleküle gleichmäßig über Oberflächen verteilen. Wenn man die Bedingungen kennt, kann man das beim Tiefziehen ja beachten. Fragen wären: Muss die Form z.B. besonders glatt sein (poliert), welche Temperatur, Geschwindingkeit des Tiefziehvorgangs etc. .

Grüße
Thomas
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Beitrag 7624207 [Alter Beitrag04. Januar 2013 um 15:31]

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Hi,

ich gehe eher davon aus, das es ein weitesgehender unelastischer Fließvorgang sein wird. Ob das nun über die Oberflächen der Form gleitet oder nicht, kann ich nicht sagen. Würde aber eher darauf tippen das es dies nicht tut, da das erweichte Material so gut wie keine Kräfte mehr überträgt, wird die kleinste Haftreibung ausreichen es fest zu halten. Daher ist die Oberflächenbeschaffenheit eher für die spätere Optik wichtig.
Was zu beachten ist, ist die Ausrichtung der Molekülketten parallel zur Ziehrichtung. Dadurch ergeben sich unterschiedliche Festigkeiten in verschiedene Richtungen. Man müsste wohl beim erreichen der Form noch etwas mehr erhitzen um es noch weicher zu machen, und anschließend langsam abkühlen um diesen Effekt rückgängig zu machen. Ich denke aber das bei vorheriger Auslegung der Wandstärken das eher eine untergeordnete Rolle spielt.
Ich habe mal mein Bauteil nachgerechnet, und dabei festgestellt, das eine Handelsübliche Halbzeugdicke schon viel zu dick ist.

Gruß

Neil

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Beitrag 7624217 [Alter Beitrag04. Januar 2013 um 19:21]

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Aus 30 Jahren beruflicher Tiefzieherfahrung kann ich nur sagen, dass man über die Wandstärken so gut wie keine Aussage machen kann. Zumindest trifft das bei unseren Arbeiten zu. Die theoretischen Überlegungen sind ja ganz nett, nur berücksichtigen sie nicht das Abkühlverhalten der Folie oder Platte. Das kann durchaus chaotisch geschehen und dort wo die Platte sich bei Kontakt mit der Form am schnellsten punktuell abkühlt, wird daneben die Wandstärke deutlich dünner ausfallen. Gleiches gilt immer für die angrenzenden Gebiete an Kanten, Ecken, ect. Zumindest ist das bei uns so. Da werden allerdings kleine Platten mit einem Durchmesser von 10 cm und einer Stärke zwischen 0,5 und 2 mm verwendet.
Daneben muss man noch mit Lufteinschlüssen und anderem Ungemach rechnen. Ich finde Tiefziehen ziemlich zum Kotzen. Aber vielleicht klappt es in größerem Maßstab ja besser.
Obwohl ich mir vorstellen könnte, dass die Probleme im Vorfeld, wie z.B. gleichmäßige Erwärmumg, ect. eher größer werden könnten.

Gruß,
Achim

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Beitrag 7624375 [Alter Beitrag10. Januar 2013 um 15:09]

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Hi Neil,

ich habe mir eine Kabinenhaube für nen Eigenbau-Heli tiefgezogen.
Das ging bereits nach 2 Versuchen sehr gut mit rudimentärsten Teilen.
Die Form aus Styrodur mit weißer Wandfarbe bestrichen und fein geschmirgelt.
Staubsauger, Backofen und selbstgebauter Tiefziehbox.



Material : vivak ca. 1,5 mm dick
Temp: 155 °Cels
Heizzeit: 7-8 min

Das gibt im Ofen eine vivak-Beule die ca. 10-12 cm durchhängt.

Die Wandstärke änderte sich von 1,5 mm auf 0,9 mm nach dem Tiefziehen.
Wichtig ist beim Tiefziehen dass die Temperatur nicht zu hoch ist, sonst fliesst das Material zu stark und es gibt an den Übergängen Falten.

Bleibt später super stabil und ist zäh elastisch.

Das Ergebnis im Ganzen ist das hier:



Hör einfach mal auf alles theoretisch abzuhandeln und zu berechnen und probier es einfach mal ... roll eyes (sarcastic)

Grüße
Tom

Geändert von Tom am 10. Januar 2013 um 15:10

Neil

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Beitrag 7624380 [Alter Beitrag11. Januar 2013 um 11:43]

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Hi Tom,

sehr schönes Ergebnis. Das Tiefzielteil scheint auch optisch sehr rein geworden zu sein.
Du schreibst das der Kunststoff durchängt. Ziehst du ihn dann mit dem Sauger hoch oder nacher runter?

Gruß

Neil

P.S.: Theorie ist günstiger als Tonnen von Material zu versauen wink

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