Raketenmodellbau.org Portal > Forum > Rund um den Raketenmodellbau > Allgemein > Düsengeometrie
Du kannst keine neue Antwort schreiben


Autor Thema 
Peachli

Anzündhilfe

Registriert seit: Mai 2020

Wohnort:

Verein:

Beiträge: 1

Status: Offline

Beitrag 7646784 , Düsengeometrie [Alter Beitrag03. Mai 2020 um 13:06]

[Melden] Profil von Peachli anzeigen    Peachli eine private Nachricht schicken   Peachli besitzt keine Homepage    Mehr Beiträge von Peachli finden

Hallo Zusammen,

da ich letzte Woche eine Düse für eine Wasserflasche konstruiert und gedruckt habe, habe ich begonnen mir ein paar Gedanken über die verschiedenen Formen zu machen.
Mir sind einige Dinge nicht ganz klar und vielleicht könnte mir Jemand ein "Big Picture" geben, über die grundsätzlichen Unterschiede bzw. Vor- und Nachteile der verschiedenen Düsenparamter.

Soweit ich verstanden habe würde ich zunächst zwischen einer Düse unterscheiden mit inkompressiblem Fluid, wie Wasser und mit gleichen Ein- und Austrittstemepratur und dann zwischen kompressiblem Fluid, welches auch noch einem Temperaturunterschied ausgesetzt ist.

Bei Wasser würde ich davon ausgehen, dass es nicht zu einer Expansion kommt, weil Wasser am Düsenaustritt Umgebungsdruck hat (Falls das so ist). Somit machen dort vermutlich nur Düsen Sinn, welche sich zum Austritt verjüngen.
Das heißt die einzigen Paramter die zur Gestaltung zu beachten wären, wäre das Flächenverhältnis zwischen Ein- und Austritt und die Ausflusszahl, welche von der Formgebung und Oberflächenbeschaffenheit abhängt?




Was ich nun nicht ganz verstehe ist der Unterschied zwischen einem schmalen und einem breiten Austrittsquerschnitt.
Halte ich einen Gartenschlauch in der Hand, habe ich entweder einen breiten laminaren Strahl, der nicht weit kommt und gefühlt auch nicht viel Kraft entgegen setzt und einem dünnen Strahl, der weit spritzt und mehr Kraft entgegen setzt.

Wenn der Vordruck von etwa konstant ist, sollte die Leistung in beiden Fällen auch gleich sein. Ich hätte erwartet das im ersten Fall die Druckenergie in kinetische umgewandelt wird, also habe ich eine hohe Geschwindigkeit, aber weniger Kraft, im anderen Fall eine geringere Geschwindigkeit, aber mehr Kraft.
Ist das der Fall oder ist es eher so wie es sich anfühlt, also das ich im Fall des Dünnen Querschnitts mehr Kraft habe?

Bei einer reibungsfreihen Strömung, würde ich davon ausgehen, dass in beiden Fällen der Massenstrom gleich ist, dass würde aber bedeuten, dass die engere Düse eine größere Kraft erzeugt, aber das kann eigentlich nicht sein oder?


Und jetzt noch der Fall mit dem Kompressiblen Fluid.

Soweit ich verstanden habe, wird das heiße Gas mit dem Hohen Druck in eine Düse geführt, damit sich die Druckenergie in kinetische Energie umwandelt. Die Erweiterung der Düse (Laval-Düse oder welche dort zum Einsatz kommen), ist nur dafür da, damit sich bei der Expansion die thermische Energie ebenfalls in Geschwindigkeit umwandelt.
Denn ich habe mich gefragt wieso in dem Fall die Düse wieder aufgeweitet wird und nicht einfach nach der Verjüngung der Austritt erfolgt.
Kann man grob sagen, dass in der Verjüngung die Druckenergie in kinetische und in der Aufweitung die thermische Energie in kinetische Energie umgewandelt wird?

Ansonsten habe ich den Effekt der Unter / Überexpansion so verstanden, dass versucht wird die Länge so gestalten, dass die Expansion genau bis zum Austrittsende Abgeschlossen ist und kein Druckunterschied zwischen Düse und Umgebung mehr vorhanden ist.
Somit wird keine Energie verschwendet, da die gesamte Energie in Geschwindigkeit umgewandelt wurde und der maximale Schub erzeugt wird?

Falls das der Fall wäre, frage ich mich was der Unterschied zwischen einer Düse ist, die auf kurzer Strecke relativ Breit wird und einer Düse welche einen Längeren Austritt besitzt, sich aber langsamer aufweitet.
In beiden Fällen müsste sich die Düse doch so gestalten lassen, dass am Austritt Umgebungsdruck herrscht?

Umgekehrt würde es kurz gesagt bedeuten, dass wenn eine solche Düse im engsten Querschnitt abgeschnitten würde, in jedem Fall eine Unterexpansion stattfinden würde, so dass sich der Strahl nach dem Austritt aufweiten würde, wodurch viel Energie verloren ginge?

Wie Ihr an den vielen Fragen merkt, habe ich die Zusammenhänge noch nicht verstanden, aber es wäre schön wenn Jemand mir zumindest ein wenig Licht ins Dunkeln bringen könnte

Gruß
Alex
Kabelmann

SP-Schnüffler

Kabelmann

Registriert seit: Sep 2005

Wohnort: im Norden, bei Lüneburg

Verein: AGM e.V., TRA L2

Beiträge: 854

Status: Offline

Beitrag 7646785 [Alter Beitrag03. Mai 2020 um 13:40]

[Melden] Profil von Kabelmann anzeigen    Kabelmann eine private Nachricht schicken   Kabelmann besitzt keine Homepage    Mehr Beiträge von Kabelmann finden

Hi Alex,

aus meiner Erfahrung mit Wasserraketen, kann ich Dir zumindest zu Deiner Frage bezüglich großem und kleinem Düsendurchmesser folgendes sagen.

Kleiner Austrittsdurchmesser bei selbem Druck und Füllmenge heißt, lange "Brennzeit" bei geringerem Durchnittsschub, dh. die gleiche gespeicherte Energie wird über einen langen Zeitraum recht konstant abgegeben.

Großer Austrittsdurchmesser bei selbem Druck und Füllmenge heißt, kurze Brennzeit mit großem Anfangsschub und schnell abflachender Schubkurve.

Förderlich ist bei beiden Varianten eine Form mit einer Art Trichter zum Druckraum hin für optimiertes Einströmen und dann eine Art Kanal, der das Fluid (Wasser) etwas führt, sodass es als möglichst kompakter Strahl autritt und nicht auffasert.

Gruß

Jan
AchimO

Poseidon

AchimO

Registriert seit: Jul 2014

Wohnort: Berlin

Verein: AGM

Beiträge: 1449

Status: Offline

Beitrag 7646793 [Alter Beitrag03. Mai 2020 um 20:40]

[Melden] Profil von AchimO anzeigen    AchimO eine private Nachricht schicken   AchimO besitzt keine Homepage    Mehr Beiträge von AchimO finden

Hallo Alex,

erst einmal Willkommen in diesem Forum!
Wenn du etwas wissen willst über die Auswirkungen unterschiedlicher Düsenquerschnitte, kann ich empfehlen, sich mit einem entsprechenden Simulator zu befassen:
- Standard ist der von Clifford Heath
- gut auch der von Marcel (Webseite, geht auch offline mit etlichen Android Smartphones)

Im Archiv und im Bereich Wasserraketen hier in diesem Forum findest du noch viele Informationen - auch Theorie - zum Thema.

Hast du schon eine Wasserrakete gebaut? Vor dem Bau der ersten Rakete mit dem 3D-Druck einer Düse zu beginnen, wäre zumindest etwas ungewöhnlich. Mache auf jeden Fall dann erst einmal einen Drucktest mit der Düse! Zu Drucktests findest du hier auch eine Menge. Auch die Videos von raketfuedrockets sind hilfreich, wenn du sie nicht schon kennen solltest.

Viel Erfolg und immer eine Handbreit Luft unter dem Fallschirm!

Gruß Achim

laminare necesse est!

Im übrigen bin ich der Meinung, dass die Raketenvereine einem Verband beitreten sollten!
AchimO

Poseidon

AchimO

Registriert seit: Jul 2014

Wohnort: Berlin

Verein: AGM

Beiträge: 1449

Status: Offline

Beitrag 7646794 [Alter Beitrag03. Mai 2020 um 20:59]

[Melden] Profil von AchimO anzeigen    AchimO eine private Nachricht schicken   AchimO besitzt keine Homepage    Mehr Beiträge von AchimO finden

Die Beobachtung, dass eine engere Düse einen größeren Schub erzeugt, ist schon richtig. Das liegt an der damit verbundenen größeren Austrittsgeschwindigkeit des Wasserstrahls.

Aber eine Warnung: Die Theorie der Wasserraketen ist nicht trivial! Sie ist sogar komplexer als die von Raucher-Raketen. Es liegt daran, dass nicht nur das Gewicht der Rakete mit dem Treibstoff(i. e. Wasser)-verbrauch abnimmt, sondern damit auch der Druck.

Gruß Achim

laminare necesse est!

Im übrigen bin ich der Meinung, dass die Raketenvereine einem Verband beitreten sollten!
Reinhard

Überflieger

Reinhard

Registriert seit: Sep 2003

Wohnort: Österreich

Verein: TRA #10691, AGM

Beiträge: 1186

Status: Offline

Beitrag 7646795 [Alter Beitrag03. Mai 2020 um 22:31]

[Melden] Profil von Reinhard anzeigen    Reinhard eine private Nachricht schicken   Besuche Reinhard's Homepage    Mehr Beiträge von Reinhard finden

Hallo Alex,

der Gartenschlauch trügt. Die (maximale) Ausströmgeschwindigkeit hängt nur vom Druck an der Düse ab.



Ein größerer Querschnitt führt zu einem größeren Massenstrom und damit einem größeren Schub.

Der Grund wieso sich der Gartenschlauch anders verhält, ist der Strömungswiderstand in der Zuleitung. Umso schneller das Wasser fließt, umso größer ist der Druckabfall (analog für die Elektriker: der Spannungsabfall an einem Vorwiderstand steigt mit dem Strom). Wenn man die Düse zudreht, wird der Druckabfall in der Zuleitung geringer, entsprechend liegt mehr Druck an der Düse an und damit steigt die Austrittsgeschwindigkeit. Bei der sehr kurzen Düse einer Wasserrakete ist das im Vergleich zum langen Gartenschlauch aber relativ vernachlässigbar, wenngleich die Düse natürlich nicht perfekt ist. Siehe auch:
Druckverlustbeiwert


Was die de Laval Düse betrifft, betrachte da nicht Druck und Temperatur getrennt. Das geht so schnell, dass kein nennenswerter Wärmeaustausch stattfindet.

Der Grund wieso die Lavaldüse im divergenten Bereich (am Ausgang) eine gewisse Länge braucht ist, der maximale Öffnungswinkel. Ist der zu groß kommt es sonst zum Strömungsabriss von der Düsenwand. Die Gase haben ja eine gewisse Trägheit und können nicht schlagartig expandieren. Ein Strömungsabriss würde die Effizienz der Düse reduzieren.
Der Unterschied zwischen einer guten Düse und einem einfachen Loch liegt nicht in der Energie. Das Gas wird sich so oder so auf Umgebungsbedingungen ausdehnen und damit kinetische Energie gewinnen. Der Unterschied liegt im Impuls. Idealerweise bewegt sich das gesamte Gas in die gleiche Richtung, falls nicht, gibt es Komponenten des Impulses die sich gegenseitig aufheben. Ein Extrembeispiel wäre eine Brennkammer mit zwei gegenüberliegenden Düsen. Die Energie geht ins Gas, aber kein Schub bleibt übrig.

Gruß
Reinhard
[Zurück zum Anfang]
Du kannst keine neue Antwort schreiben