Kinotip im Raketenforum: War ihr schon in "Baader-Meinhof?". Ähh- sind das nicht diese TERRORISTEN? Hilfe! Mit denen haben wir nichts zu tun!
Oder doch? Ich meine: Ganz viel sogar. Die "Baader-Meinhof Bande" war für unsere Szene der schlimmste Feind. Hinterher war nichts mehr so wie vorher. Wird es nie wieder sein.
VORHER: Das war die Zeit, da hat dir die junge Verkäuferin in deiner Lieblingsdrogerie den Schwefel und den Salpeter auf Wunsch gleich im passenden Verhältnis abgewogen. Wenn du den Treibstoff lieber auf Chloratbasis gemischt hast, dann mußtest du nur
Wegfrei,
Unkraut-Ex oder
Kaliumchlorat verlangen. Es war völlig normal wenn einer von sich sagte, er sei
Bombenbauer. Das waren damals viele, und ihr einziges, ganz harmloses Ziel war, daß es lauter knallen sollte als der Kanonenschlag zu Silvester. Die meisten machten das nur kurze Zeit -so wie heute die Laufkundschaft beim T1 Fliegen- dann verloren sie das Interesse.
Ich war nie ein "Bombenbauer". Mich faszinierte die Raumfahrt und vor allem der Raketenantrieb, und den wollte ich für mich selber entwickeln. Da durfte es eben NICHT knallen, das war der größtmögliche Frust. Die Beherrschung dieses agressiven Feuers, so daß es deine Rakete fliegen läßt, das war absolut faszinierend.
Echtes Raketenbauen.
NACHHER: Überall Terroristenhysterie. Rasterfahndung. Videoüberwachung. Bundestrojaner. Großer Lauschangriff. Maschinenlesbare Ausweise mit Fingerabdruck. Der Verkauf aller einschlägigen Substanzen an Privatpersonen ist verboten. Der Umgang mit eigenen Mischungen macht dich dermaßen zum Kriminellen, da kommen der U-Bahn Schläger oder der Kinderschänder vergleichsweise gut weg. Die kriegen sozialtherapeuthischen Abenteuerurlaub auf Staatskosten, du kriegst maximal einen Sack über den Kopf, ein Ticket mit CI Airlines und einen Käfig in Guantanamo.
In Westdeutschland haben wir für Einstieg in den Terror keine Araber gebraucht, einige unserer bekloppten Altachtundsechziger mutierten ganz von selbst zu hausgemachten Terroristen. Für alle die zu jung sind um das mitbekommen zu haben, ist dieser Film ein spannendes Stück historischer Aufklärung.
Da sieht man zum Beispiel in einer Szene, wie die mit vielen Handkaffeemühlen hantieren. (Randbemerkung: Ich hab noch keinen getroffen, der mit einer Handkaffeemühle gutes Schwarzpulver gemacht hätte.) Szenen wie diese lassen chemieschwache Fahnder noch heute glauben, daß Kaliumnitrat die Einstiegsdroge in den internationalen Terrorismus wäre.
Aus heutiger Sicht ist es bizarr, daß diejenigen, die damals irgendwen vom Imperialismus "befreien" wollten, daß ausgerechnet die mit dafür gesorgt haben, daß die Bürgerrechte heute nur noch eine Schatten dessen sind, was damals üblich war. Sie hätten die Bundesrepublik vom "authoritären Obrigkeitsstaat" zum liberalen Gemeinwesen reformiert, so ungefähr brüsten sich die Alt-68er noch heute. Wirklich?
Dabei war das damals politisch tatsächlich eine aufregende Zeit, die sich heutige Jugendliche wohl garnicht mehr vorstellen können. Eine besondere Szene am Anfang des Films zeigt, wie Studentenführer Rudi Dutschke im rappelvollen AudiMax spricht, gerade diese Einstellung läßt ahnen, wie die Leute damals drauf waren. Und da hält uns der Film doch ein Stück weit den Spiegel vor: Wo man damals in einer Massenbewegung aktiv wurde, um sich für Andere einzusetzen, für die Kriegsopfer in Vietnam zum Beispiel, da sind wir heute blasiert, ich-bezogen, nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Ist das besser?
Egal wie man zu alledem steht, ich finde, man sollte den Film gesehen haben.
Geändert von Peter am 21. November 2008 um 22:41